944

Ich schildere nachfolgend meinen Besichtigungstermin in Wiesbaden, mein Bruder hat mich begleitet. Wir sind in ein Wohngebiet gefahren, Häusern aus den 70er/80er, mit kaum Parkraum. Die Sonne hat geschienen und dann sind wir auch schon am 44er vorbei gefahren.Der Verkäufer kam heraus, jünger als angenommen, lässig gekleidet, wie sich herausstellte, Jurist der gerade promoviert. Nach netter Begrüßung kam dann auch sein Vater raus, 60 Jahre, erfolgsgewohnt, smart. Der Sohn hat dann erzählt, 1.000 Informationen auf einmal, habe mir nur die 1/2 merken können.

Mehrmals um das Auto rumgegangen und es hat mit mir gesprochen :-). Man sieht leichte Übergänge zwischen der Nachlackierung der Kotflügel und Motorhaube zum Rest, der, wie mein Lackschichtenmesser (der Stift, weil ich das neue Profimessgerät noch nicht kalibriert hatte) ergab, bis aufs Dach schon mal nachlackiert wurde, offensichtlich auch weil es hinten rechts einen Streifschaden gegeben haben könnte, wofür eine ganz kleine Delle an dem Stehblech über der Stoßstange spricht. Die Lackdichte variierte rundum zwischen 350 und 500 µ, nur das Dach hatte 200-250 µ, also noch jungfräulich. Der Motorraum hatte fast Showroomqualität. Der Lack hat rundum ganz kleine Macken (Einschlüsse, kleine Kratzer, eine Abplatzung der Metallicschicht, keine Dellen). Eine Felge hat den sichtbaren Fehler, eine wurde nicht so schön nachlackiert, das Felgenhorn sieht bei allen geil aus, wie neu (angeblich platiniert?). Die Reifen haben 7 mm Profil, sind aber auch 7 Jahre alt.
Der Stoff innen riecht halt nach 35 Jahren, hat am Beifahrersitz die zwei Risse, der Rest ist perfekt, selbst der obere Rand der Rücksitzbank hat noch Farbe und keine Risse. Das Armaturenbrett hat der Besitzer ausgebaut, ein Sattler hat es mit braunem Kunstleder mit sichtbarer Naht – fast perfekt – neu bezogen (was ein Aufwand). Es sind Notrad, Wagenheber, Bordwerkzeug und Bedienungsanleitung mit Serviceheft vorhanden, welches bis 2004 durchgestempelt ist, aber nicht im Porsche Zentrum, dort nur 3 Wartungen. TÜV-Berichte ab 2011 und §23 Gutachten aus 2013. Heute frisch neuen TÜV bekommen.
 
Der Verkäufer und sein Wagen
Der Verkäufer hat während des Studiums vieles selber gemacht. Der Vater hat ihm das Auto zu Beginn des Studiums als Ausgleich zum Schrauben gekauft. In den 7 Jahren ist der 944 10tkm gefahren. Der Verkäufer wollte ständig den Motor starten, aber ich bin mit meinem Bruder mehrmals ums Auto, wir haben den gesamten Heckbereich abgesucht - trocken, original, sauber, aufgeräumt (nur die Targadachhülle fehlt). Der Verkäufer war häufiger auf Messen und hat sich z.B. das Originalprospekt gekauft und ihn mit dem Originalkaufvertrag verglichen. Das Auto hat aus heutiger Sicht Vollausstattung, also alle damaligen Optionen verbaut. Klimaanlage gab es tatsächlich erst zwei Jahre später!
Nachdem das Heck, die Heckklappe, die Teppiche gecheckt waren, wollte ich, dass er alle Verbraucher anschaltet. Beide Fensterheber laufen rund und schnell, ebenso die Scheibenwischer vorne und hinten, die Scheinwerfer gehen ruck frei und schnell hoch, liegen ansonsten bündig in der Motorhaube.
Dann endlich durfte er den Motor starten, nachdem ich gecheckt hatte, dass die Motortemperatur auf 0 steht, Motor also kalt - Hand drauf :-). Sprang nach 2x drehen an und lief ohne Schwankung rund und es gab kein klickern oder klackern, nach 1 Minute ging die Drehzahl wohl so 100-200 Umdrehungen runter und er lief immer noch rund. Dann rein ins Auto und er sollte mit mir eine Runde drehen, er meinte, wir fahren zum Golfplatz und ich fahre zurück. Er fuhr das Auto sehr diszipliniert und man merkte, dass sein Herz an dem Auto hing. Zuvor bat ich meinen Bruder, sich mit dem Vater die Unterlagen anzusehen. der Vater war die ganze Zeit dabei und kam seinem Sohn ständig zur Hilfe. Nach dem Motto: „Hast Du die … nicht auch erneuern lassen letztes Jahr?“ :-) Es kam symphatisch rüber.
Das Fahren in dem 944 fand ich klasse, er machte auf mich den Eindruck, dass er mir beweisen wollte, dass er in richtig gutem Schuss ist, wie ein Hund im Tierheim, der sein neues potenzielles Herrchen begrüßt (also der 944, nicht der Verkäufer). Am Golfplatz haben wir dann gewechselt. Dann durfte ich ran. Sitzposition ungewöhnlich. Tief liegendes Lenkrad (vor 8 Jahren neu mit Leder bezogen), Windschutzscheibe recht nah am Kopf (ohne Steinschläge oder Eintrübungen, keine Aufkleber), der Schaltknauf und Schaltsack (vor 3 Jahren neu bezogen mit Leder) liegen geil in der Hand, kurze Schaltwege, fast kürzer als im 11er. Die Kupplung ist neu (wurde gemacht) kam sehr gut dosierbar ohne Rupfen. Motor drehte wie ein Langhuber ohne Turbo erst einmal etwas zäh; wollte auch erst mal Lenkung, Radlager testen, dann Differenzial, keine Geräusche. Da hat sich nix bewegt, die Lenkung hat alles sofort umgesetzt, kein Spiel, eigentlich wie neu. Sichtprüfung vorher (bin tatsächlich unter das Auto gerutscht, habe nur neue Gummis und Manschetten gesehen, Billstein B6 Dämpfer in grün/blau sind drin, viel silberne Fahrwerksteile, keine verrosteten Schrauben, Fahrzeug ist von unten gewachst und hat Mike Sanders Hohlraumversiegelung). Dann Bremsung aus 60km/h ohne Hände am Lenkrad. Hat ganz leicht nach rechts gezogen. Er meinte, die Bremse hinten rechts wäre nach Bremssattelwechsel noch nicht eingebremst. Im Ergebnis sind alle Scheiben, Bremssättel und Beläge in den letzten 7 Jahren gewechselt worden.
Dann habe ich ihm etwas die Sporen gegeben. HERRLICH! Hat sich leicht angefühlt, der Sound war klasse (KN Luftfilter, Sportluftfilter hat er auch noch). Hab ich eine Lust auf das Auto!!!!!
Nachdem wir wieder zurück waren (Rückwärtsgang geht etwas schwer rein, der Rest flutschte wie durch eine geführte Gasse, als wenn ein Patient mit neuem Hüftgelenk von der Pflegerin den Gang langgeführt wird. Ich stieg aus, etwas ungewohnt war der Zündschlüssel auf der rechten Seite.

Mein Bruder hatte sich in der Zwischenzeit die Unterlagen angesehen und auch die Doppelgarage vor dem Haus, die insgesamt vier Autos beherbergte :-): Die Familie hat ein großes automobiles Herz, der Vater fährt selbst einen Morgan +8 und eine Corvette C6 Z6. Muss ich nicht erklären, oder? Der Sohn hat sich letztes Jahr einen 964er Porsche gekauft. Vor der Garage stand noch ein VW Touareg. Also auch alle infiziert. Der Vater versteht viel von amerikanischen Wagen und hat meinem Bruder eine top Adresse für seinen Buick gegeben.

Dann waren wir soweit. Wie geht es weiter?
Ich habe ja wirklich genug fast&loud und die Gebrauchtwagenprofis gesehen :-) und lobte den Verkäufer ob seines schönen Autos, an dem ich nicht sehr viel aussetzen könnte und meinte, ich sei weiterhin sehr angetan und interessiert, sein Auto zu kaufen. Und dann bat ich ihn, mir seine Schmerzgrenze zu nennen. Darauf kam nichts wirklich Substantielles mehr vom Verkäufer, so dass sein Vater eingesprungen ist und der fing dann an, dass er jetzt sagen könnte, er würde sicherlich 150€ nachlassen (VB ist € 15.150,-) aber so wolle er nicht handeln. Das Auto geht nicht unter € 14.500,- weg, er würde daher € 14.750,- sagen, so dass ich nur € 14.500,- sagen müsste, dann wäre es meiner, weiter runter würde er nicht gehen.
Ich dankte ihm vielmals für seine Offenheit und seine Bereitschaft, mir entgegen zu kommen und meinte, dass der Preis sicherlich angemessen für jemanden wäre, der nichts von Autos versteht. Ich zählte dann auf, dass der Zahnriehmenwechsel dieses Jahr fällig sei, der Verkäufer meinte, alle 7 Jahre, ich musste korrigieren: alle 6 Jahre oder alle 80Tkm und der letzte Wechsel wurde 05/2011 durchgeführt. Der Wechsel kostet nach Verkäuferinformation ca. € 700,-. Die würde ich von den €15.150 abziehen und wäre damit bei € 14.450. Weitere Abzugspunkte :
-    eine Felge lackieren lassen, € 200,-
-    den Beifahrersitz neu beziehen, Stoffkosten € 110,- der laufende Meter, man benötigt 2 Meter und hat dann eine abweichende Farbe zum Rest, (aber das ist mein Problem) kostet mit Beziehen € 500,-
-    Ich wäre also bei € 13.750,-. Erst mal Schweigen.

Daraufhin meinte ich, dass das noch kein Angebot von mir sei, ich müsste erst noch mit meinem Oldtimerconsultant (Anm. d. Red. Oktangarage!) reden und eine konkrete Kalkulation vornehmen. Noch größere Augen. Ich bat um Verständnis, dass ich erst am Donnerstag bis 12.00 Uhr ein Angebot abgeben würde, versprach aber ein Angebot abgeben zu wollen. Irgendwie waren Vater und Sohn dann etwas enttäuscht, dass ich nicht gesagt habe, „okay, ich nehme ihn für € 14.500,-.
Der Sohn meinte, er würde mir den 944 gerne verkaufen, weil er das Gefühl hat, ihn bei mir in guten Händen zu wissen. Ich habe ihm das bestätigt, habe aber darauf hingewiesen, dass ich leider alle Emotionen außen vor lassen muss, weshalb ich auch meinen Bruder dabei hätte, sonst hätte ich das Auto sofort für €15.000,-mitgenommen. Ich bat um Verständnis, dass ich nicht heute ein Angebot abgeben könnte und würde es verstehen, wenn er den Wagen zwischenzeitlich verkaufen würde. Daraufhin meinte der Vater, es gäbe keine anderen Interessenten und der Markt wäre ja auch klein für solche Wagen (am Wochenende sind alleine zwei 944er aus meine watchlist bei mobile verkauft worden, im Übrigen auch meine favorisierte Fulvia :-( ). So, damit hat er verloren.

Wir (der Verfasser und die Oktangarage) finden schnellstmöglich einen Preis für das Auto, das ich echt kaufen möchte, dazu bin ich fest entschlossen. Ich musste mich sehr zusammen reißen, nicht sofort zuzuschlagen.

Das Auto ist technisch TOP. Es gab nichts, was nicht funktioniert hat. Er hat sogar in eine vorhandene Bohrung unter dem Armaturenbrett einen Unterbrechungsschalter für die Antenne eingebaut, damit die Antenne nicht jedes Mal ausfährt, wenn er CD hört (es ist nicht das originale Radio drin). Es hat nichts gewackelt, es fühlte sich alles massiv an, durchtrainiert, kein Rost zu sehen. der Unterboden ist überwiegend gewachst, eine Stelle, die Flugrost am Schweller innen hatte, hat er mit Rostumwandler bearbeitet, nachdem die Stelle abgeschliffen war, danach hat er die Stelle mit Wachs versiegelt. Da klebt keine dicke Unterbodenschicht, überall ist lackiertes Blech zu sehen; herrlich für ein 35 Jahre altes Auto und der Sound ist überraschend gut, ohne Dach fast wie ein Cabrio. Ich habe ein gutes Gefühl.
Einen Haken gibt es. Die Rechnungen sind überwiegend Teilerechnungen. Er hat Rechnung über neue Kupplung mit Arbeit (1.700,- €) und eine Rechnung über Dichtungen, Motoröffnung, usw. über 2.200,- € und die Rechnung für die Lackierung, die er hat machen lassen. Den Rest hat er selber geschraubt. Der hat den Motor selbst ausgebaut (Ölundicht an der Stirnseite) die Kotflügel abgebaut, vorbehandelt, den Untergrund entrostet und mit irgendwelchen Grundierungen + Wachs versehen, die Bremsen selbst gemacht, die Fahrwerksteile selbst eingebaut (Vermessung im PZ Wiesbaden). Er hat das so erklärt, dass die Arbeit am Auto sein Ausgleich zum Studium war.

Mein Bruder meinte zu mir, dass kann gut gemacht sein, oder aber auch nicht und warum so ein Porsche so viel Arbeit bräuchte (Ersatzteile/Defekte). Da ist was dran, aber das gesamte Fahrwerk und die Bremsen sind keine 10.000 km alt, der Motor ist abgedichtet, neue Unterdruckschläuche, neuer Verteiler, neue Zündkabel…. technisch einfach top, soweit wir das sehen konnten; und das Auto spricht mit mir - kauf mich… :-)
Ich möchte dem Verkäufer eine Mail schreiben, dass ich sein Auto für genau € 14.250,- kaufen möchte, Anzahlung bringe ich am Donnerstagmorgen bei ihm vorbei, unterschreibe den Kaufvertrag, überweise den Rest und hole das Auto abgemeldet am Dienstag auf dem Hänger ab.

OK, nach der Besprechung mit der Oktangarage haben wir die wohl anfallenden Kosten (Es gab noch einen Mangel: die hinteren Felgen wurden bei der Probefahrt warm – weil es neue Bremssättel gab, vermuten wir, dass die Bremsschläuche aufgequollen sind und daher die Beläge nicht ausreichend gelöst werden. Kostenpunkt ca. 250,- €). Wenn wir nun alle Kosten addieren, kommen wir auf rd. 1.600,- €, also 13.550,- € als Angebot. Der fairnesshalber geben wir 14.000,- € ab – und …

Fortsetzung folgt.

Geschrieben von C. Döring, dem zukünftigen Besitzer "eines" Porsche 944!

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